Die Eisnebelhalos von Jena

Seit mindestens zehn Jahren fasziniert mich das nebeldurchflutete Saaletal. Die umliegenden Muschelkalkhänge bieten viele Möglichkeiten, morgens über den Nebel zu steigen und spannende Perspektiven zu entdecken. Die jüngsten Ereignisse haben mich veranlasst, das Folgende aufzuschreiben:

Die Chronologie der Ereignisse (zum Datum springen):
22.01.2017 | 19.02.2017 | 21.03.2018 | 16.11.2018 | 17.11.2018

22.01.2017

Am 22.01.2017 hatten wir eine Hochdruckwetterlage mit Bodeninversion. Der Nebel schwankte zwischen 50m (AGL) und 250m (a.s.l.) und löste sich nach 8:30 Uhr (MEZ) langsam nach Süden (Richtung Kahla) auf. Von meinem Beobachtungspunkt (Mönchsberg) hatte ich eine gute Sicht auf die Nebelgrenze. Anders als normal wurde etwas sichtbar: ein Licht schimmerte auf dem Nebel – ein Halo. Gegen 9:00 Uhr wurde das folgende Bild aufgenommen (Sonnenhöhe 8°):

Was ist das?

Wird Licht an Eiskristallen gebrochen und reflektiert, kann ein visuell sichtbarer (aber meist schwacher) Halo entstehen. Während man ihn meist an Cirrus-Bewölkung sieht, kann er sich ebenso bei Eisnebel oder auf Schneedecken bilden.

Ich fuhr also auf den Eisnebel zu und sah plötzlich, wie alles zu glitzern begann. Nun erschienen verschiedene Halos um die Sonne herum. Etwa um 9:45 Uhr (Sonnenhöhe 10-12°) zwischen Leutra und Maua entstanden die folgenden Bilder:

22°-Ring + beide 22°-Nebensonnen + beide Lichtsäulen + beide 22°-Unternebensonnen
Linke 120°-Nebensonne und Horizontalkreis

Generell ist die Beobachtung rund um Jena-Maua sehr schwierig. Eine Barriere stellt die neu gebaute Brücke der B88 mit Kreisverkehr und Autobahnauf- und -abfahrten dar. Schnelle Ortswechsel sind kaum möglich.

Die nächste Beobachtung gelang dann um etwa 10:20 Uhr bei einem Sonnenstand von ca. 14°. Das Lichtkreuz vor der Sonne wurde sehr deutlich. Der ganze Halo war recht beeindruckend. So etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen.

Am Ende gegen 10:35 Uhr (Sonnenhöhe 15°) zeigte das Halophänomen in Maua seine volle Schönheit. Zusätzlich kamen der Parrybogen, Trickers Gegensonnenbogen, der Untersonnebogen und mehr zum Vorschein.

Eisnebelhalophänomen am 22.01.2017 in Jena-Maua, Thüringen, Deutschland

360°-Panoramabild vom Höhepunkt. Schauen Sie sich die Details mit einer kontrastierenden Unscharfmaskierung an (ohne und mit):

Insgesamt: 18 Haloarten

22°-Ring (EE01)
22°-Nebensonnen (EE02/03)
Oberer Berührungsbogen (EE05)
Unterer Berührungsbogen (EE06)
Obere Lichtsäule (EE08)
Untere Lichtsäule (EE09)
Zirkumzenitalbogen (EE11)
Horizontalkreis (EE13)
Gegensonne (EE17)
120°-Nebensonnen (EE18/19)
Supralateralbogen (EE21)
Parrybogen (EE27)
Untersonne (EE44)
22°-Unternebensonne (EE45/46)
Trickers Gegensonnenbogen (EE57)
Tapes Bögen (EE60)
Sonnenbogen (EE61)
Untersonnenbogen (EE62)

Hier ist ein kurzes Video zur Dokumentation:

Claudia Hinz and Andreas Möller haben wesentlich bei der Bestimmung der Haloarten mitgeholfen – vielen Dank! I verdanke letzterem auch die Panoramaberechnung. Mehr hierzu und über das Thema im Allgemeinen finden Sie im AKM e.V. Forum (Deutsch) / Halo-Blog.net (Englisch) oder im finnischen Halo-Blog (Englisch).

Resümee

Eisnebel in Mitteldeutschland? Ist das nicht ein Phänomen der Berge, Skipisten und Arktis?

Nun, die Temperatur entsprach dem Taupunkt und bewegte sich von 7:45 – 10:45 Uhr zwischen -10 und -6 °C – mit einer relativen Feuchtigkeit von 95%. Das sind gute Bedingungen!

Die Bildung des haloaktiven Eisenebels in einem so kleinen Gebiet (Jena-Göschwitz, Jena-Leutra und Jena-Maua) liegt vielleicht darin begründet, dass die ansässige Industrie Feinstaub als notwendige Sublimationskeime für die Kondensation freigesetzt hat. Durch sukzessives Abfahren des Gebietes kann die Entstehung glitzernder Eiskristalle anhand der Windrichtung bis Jena-Maua zurückverfolgt werden. Doch dies war erst der Anfang…

19.02.2017

19.02.2017: Untersonne + untere Lichtsäule

Eisnebel konnte man bereits nachts in meinem Ortsteil Jena-Burgau wahrnehmen. Also ging es frühs auf den für mich nächsten Berg und sah die ersten Halos mit einer Sonnenhöhe von etwa 7° und einer Temperatur von -2 °C.

8:27 Uhr nahm ich dieses Foto von einem weiteren schönen Halo-Display neben Jena-Maua mit dem seltenen Moilanenbogen auf (Temperatur von nahezu 0 °C) auf:

Das zweite Bild zeigte einen interessanten Bereich unterhalb des Zirkumzenitalbogens. Während der AKM e.V. ihn als 46°-Ring bestimmt, sieht der finnische Forscher Marko Riikonen dort einen 46°-Kontaktbogen:

Insgesamt: 12 Haloarten

22°-Ring
22°-Nebensonnen (beide)
Obere Lichtsäule
Untere Lichtsäule
Oberer Berührungsbogen
Parrybogen
Zirkumzenitalbogen
Horizontalkreis
Sonnenbogen
Untersonne
46°-Ring
Moilanenbogen

21.03.2018

Am 21. März 2018 – ja, wir hatten einen späten Winter! – dokumentierte ich neuerlich Eisnebelhalos zwischen 9:45 Uhr (Sonnenhöhe 29°) und 10:15 Uhr (Sonnenhöhe 32°) morgens in und um Jena-Maua. Es ist kaum zu glauben, aber die 2m-Temperatur lag zu dieser Zeit zwischen -1°C und +2°C und die relative Luftfeuchtigkeit bei 70% / Taupunkt etwa -6°C. Überraschung!

Allsky-Aufnahme von einem fast vollständigen Horizontalkreis (unschärfemaskiert)
Willkommen in »Maua«!
Ein schöner und deutlicher Infralateralbogen zeigte sich

Es macht zwar Spaß, den Halos hinterherzujagen, um die bestmögliche Sicht zu erhalten, aber dies ist schlichtweg kein idealer Ort, um dies zu tun. Maua wurde kürzlich mit einer Brücke für die neue B88-Passage quasi in zwei Hälften geteilt. Unglücklicherweise war die beste Sicht des Tages über/unter dieser Brücke… in jedem Fall habe ich weitere Haloarten zum ersten Mal live gesehen:

Heller unterer Berührungsbogen

Insgesamt: 18 Haloarten

22°-Ring
22°-Nebensonnen (beide)
Untere Lichtsäule
Obere Lichtsäule
Oberer Berührungsbogen
Unterer Berührungsbogen
Parrybogen
Zirkumzenitalbogen
Horizontalkreis
Supralateralbogen
Tapes Bögen
46°-Ring
120°-Nebensonnen
Sonnenbogen
Gegensonne (Video anschauen!)
Lowitzbögen
Infralateralbogen
Wegeners Gegensonnenbogen

Zum ersten Mal ließ ich eine Kamera den Prozess des ‚Halo chasings‘ als Zeitraffer mit aufzeichnen:

Sollten Sie für die weitere Bestimmung an einer kontrastierten Variante interessiert sein, schauen Sie sich doch die unscharfmaskierte Version an. Das Video kann in 4K-Auflösung angesehen werden.

16.11.2018

Nach einem Flug mit der Drohne über der nebelgefluteten Saale, blieb noch eine kleine Chance für Eisnebelhalos.

Zeit: 09:00 Uhr (Sonnenstand 10°) – 10:45 Uhr (Sonnenstand 18°) MEZ – 2m Temperatur: -1 / +1°C – Rel. Feuchtigkeit: 90%Taupunkt: -2°C (Quelle: TPE / Kachelmannwetter.com).

Schauen Sie sich an, wie die Sonne hinter dem Industrieschornstein in Jena-Maua aufgeht und der Rauch unter der Inversion gehalten wird. Links kann man erkennen, dass im Bereich des Rauchs ein Eisnebelhalofragment sichtbar wird. Wieder wurde der Nebel quasi zuverlässig haloaktiv.
Als der Nebel aufstieg und die Sonne verhüllte, waren keine Halos zu sehen. Die Magie begann mit dessen Absinken / Auflösen.

Eisnebelhalos bieten ein dreidimensionales Erlebnis. In diesem kontrastierten Video in Echtzeit bekommen Sie ein Gefühl für das Glitzern um einen herum:

Das Halo neben dem Schornstein von »j-fiber« – einer Fiberglas-Produktionsfirma (in Jena-Maua).

Insgesamt: 7 Haloarten

22°-Ring
22°-Nebensonnen (beide)
Untere Lichtsäule
Obere Lichtsäule
Oberer Berührungsbogen
Supralateralbogen
Zirkumzenitalbogen

17.11.2018

Der bei weitem beste Eisnebelhalo-Tag nach der ersten Sichtung im Januar 2017 war der 17.11.2018.

Zeit: 10:50 Uhr (Sonnenhöhe 18°) – 11:50 Uhr (Sonnenhöhe 20°) MEZ – 2m-Temperatur: -1 /+2 °C – Rel. Feuchtigkeit: 90%Taupunkt: -3/-1 °C (Quellen: TPE / Kachelmannwetter.com).

Einem solch wunderschönen Naturphänomen zu begegnen, macht mich schlichtweg glücklich.
Was für ein Anblick! 14 verschiedene Haloarten auf einen Blick.
Heller Moilanenbogen!

Dazu habe ich wieder ein Zeitraffer aufgezeichnet. Mit Minute 2:10 wiederholt sich das Video – dann mit Unschärfemaskierung für einen besseren Kontrast.

Insgesamt: 19 Haloarten

22°-Ring
22°-Nebensonnen (beide)
Untere Lichtsäule
Obere Lichtsäule
Oberer Berührungsbogen
Unterer Berührungsbogen
Parrybogen
Zirkumzenitalbogen
Horizontalkreis
Moilanenbogen
Untersonnenbogen
Supralateralbogen
Tapes Bögen
120°-Nebensonnen
Sonnenbogen
Gegensonne
Trickers Gegensonnenbogen
Lowitzbögen
Infralateralbogen

Resümee

Zunächst einmal: Ohne das Wissen und die Hilfe des Vereins Arbeitskreis Meteore e.V. (kurz: AKM) wären diese Sichtungen gar nicht erst geschehen. Besonders die Vorträge von Claudia Hinz haben meine Faszination für die atmosphärischen Lichterscheinungen entfacht, die heute so stark wie mein Engagement für das Wetter im Allgemeinen ist.

Was haben diese Beobachtungen gemein?

  1. Lokal wiederholbare Sichtungen um oder in Jena-Maua
  2. Eine relativ temperaturunabhängige Erscheinung? Die 2m-Messung in Jena variierte von -10°C bis sogar +2°C bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 70% bis 100%.
  3. Ein möglicher Zusammenhang zwischen dem Vorkommen von Industriefeinstaub (als Voraussetzung) und der Eisnebelausbildung liegt nahe.

Schlussfolgerung und mögliche Fehlerquellen

Bei den nächsten Beobachtungen sind genaue Messungen vor Ort erforderlich, um mögliche Verzerrungen zu beschreiben. Die offizielle Jenaer 2m-Temperatur in der Stadt könnte ein paar Grad höher sein als nahe der Nebelgrenze – das ist recht wahrscheinlich. Selbst wenn ich gewissermaßen einen Hotspot in Maua beschreibe, wurde der Eisnebel bereits entlang der Saale (flussaufwärts) im Zentrum von Jena gesichtet. Möglicherweise gibt es noch andere, bisher unbekannte Faktoren oder Industrien, die zu diesem Phänomen beitragen.

Wenn Sie sich näher mit der Welt der Halos auseinandersetzen möchten, empfehle ich Ihnen die folgende Literatur:

  • Claudia & Wolfgang Hinz – Lichtphänomene (German)
  • Tim Herd – Kaleidoscope Sky (English)
  • atoptics.co.uk

Weitere Dokumentationen erhalten einen eigenen Blog-Eintrag. Dies ist vorerst die Zusammenfassung aller persönlichen Sichtungen in den letzten zwei Jahren (2017-18) zum Thema Eisnebelhalos. Wenn Sie aus Jena sind und auch Halos gesehen haben, können Sie mir gerne eine Nachricht mit den genaue Daten hinterlassen. Danke!