Der Flockdown von Jena
Der Flockdown von Jena
Wieso Flockdown? Es ist meines Erachtens ein wirklich passender, ironischer Name für ein Naturereignis, dass uns inmitten der Covid-19 Pandemie (ein weiteres Mal) manövrierunfähig macht. Mit bis zu 45 cm Neuschnee über Nacht (im Umland sogar bis zu 50 cm) brach der Verkehr in Jena am 08.02.2021 größtenteils zusammen (durch Dauerfrost teils auch an den Folgetagen). Diese Seite zeigt verschiedene, einprägsame und ästhetische Momente des Unwetters als Dokumentation von der Innenstadt über Jena-Paradies bis zu den Kernbergen.
Zur meteorologischen Einordnung finden Sie hier die synoptische Kurzfrist-Vorhersage vom Sonntag den 07.02.2021. Da die Zahl der Eistage pro Jahr stetig abnimmt, sind die Ereignisse der folgenden Tage mit dauerhaften Temperaturen unter 0 °C bemerkenswert. Eine Zusammenfassung des Winters 2020/21 finden Sie hier. Laut des Deutschen Wetterdienstes war dieser Winter (trotz des hier beschriebenen Wintereinbruchs mit mehrtägigem Dauerfrost) insgesamt 1,6 °C wärmer als im langjährigen Mittel.
Weitere Aufnahmen entstanden vom 07.02. an bis hin zum fast vollständig getauten Schnee am 21.02.2021. Den aufreibenden Katastrophenfall durch Fernwärmeausfall für 6500 Haushalte am 10.02.2021 habe ich ganz bewusst nicht fotografiert. Mehr dazu hier oder in der Presse z.B. OTZ, ZDF, Zeit oder Süddeutsche.
Übersichtshalber können Sie hier in Kapitelmarken zu den Tagen springen (dazu muss die Seite mit allen Bildern vollständig geladen sein):
07.02.2021 – Tag 1 – Vorabend mit Saharastaub
Tief Tristan sorgte bereits von Samstag auf Sonntag für Schnee in Jena. Dabei gelangte auch Saharastaub zu uns und legte sich in einzigartiger Weise über den Schnee:
08.02.2021 – Tag 2 – Nichts geht mehr
Am Morgen des 08.02.2021 konnte man dann seinen Augen kaum trauen. Trotz Unwetterwarnung war noch deutlich mehr Schnee als erwartet gefallen. Die DWD-Station Jena-Sternwarte verzeichnet einen neuen Rekord mit einer Schneehöhe von 45 cm. Menschen stapften verwundert durch den Tiefschnee und einzelne Autos versuchten sich durch die ungeräumten Straßen zu kämpfen (blieben aber trotz Allrad oft aufgrund von Eis auf dem Asphalt stecken).
Am Kulturbahnhof direkt nebenan waren die Eindrücke recht surreal. Nie zuvor habe ich Autos derart verhüllt gesehen – ein Bild das in den folgenden Stunden und Tagen noch häufiger auftauchte:
Weiter ging es Richtung Zentrum. Auf dem Marktplatz bot sich die einmalige Szene eines Kapuze tragenden Hanfrieds – das Lachen blieb mir allerdings schnell im Halse stecken, erinnerte er doch so in erschreckender Weise an einen gewissen amerikanischen Klan.
Von der Innenstadt ging ich Richtung Oberaue und war von dem sich mir bietenden Bild fasziniert. Menschen liefen auf der B88 / Stadtrodaer Straße stadtaus- und einwärts. Da weder Bus, Straßenbahn noch Zug fuhren oder das eigene Auto / die Einfahrt unter einigen Kilogramm Schnee versteckt lagen, wählten viele Personen den Fußweg. Manche ließen sich von den wenigen passierenden Fahrzeugen mitnehmen. So hörte ich eine Frau sagen: „Ich arbeite im Pflegeheim, können Sie mich mitnehmen?“
Die Reaktionen der Menschen war sehr unterschiedlich. Manche liefen lachend umher, während andere ihrem Unmut lauthals Ausdruck verliehen.
Über das Paradies ging es weiter auf die Kernberge – ein beschwerlicher und nicht ungefährlicher Weg. Durch die Last auf den durch Trockenheit geschwächten Bäumen war Schneebruch denkbar. Das hielt die ersten eintreffenden Wintersportler nicht ab, in den unberührten Tiefschnee zu stapfen.
Bevor es wieder hinunter ins Tal ging, noch ein paar Schritte auf der Horizontale durch den tiefen Schnee als 360°-Panorama. Es kann über den Button im Bild mit VR-Brille angesehen werden. Wenn Sie diese Seite mit dem Smartphone anschauen und ihr Gerät Augmented Reality unterstützt, können Sie sich jetzt im Raum bewegen und das Bild so erkunden:
Der Großteil aller Autos blieb an diesen Tagen aber stehen – Homeoffice sei dank. Und wer eine Stunde Zeit investierte, um das eigene Auto freizulegen, sah sich (insofern man überhaupt vom Fleck kam, was vielen nicht gelang) nach der Rückkehr mit dem Problem fehlender Parkplätze konfrontiert. Dort wo sonst schon wenige Parklücken zu bekommen waren, hatte sich nun zusätzlich der Schnee niedergelassen.
So viel zu den ersten Tagen. In diesem Video gibt es weitere Eindrücke des Unwetters in bewegten Bildern:
09.02.2021 – Tag 3 – Endlich Sonne
Am 09.02.2021 zeigte sich die Sonne länger und ich dokumentierte die ländliche Stimmung im Norden von Jena, z.B. an der Krippendorfer Mühle.
Bei verhältnismäßig klarer Luft ließ sich die Stadt Jena nun auch gut fotografieren:
10.02.2021 – Tag 4 – Schritt für Schritt
Nach der kältesten Nacht mit Tmin -19 °C schritt die Freilegung des Straßenbahnnetzes sukzessive voran. Die Gleise mussten mit Handarbeit vom Eis befreit werden (siehe zweites Bild). Da half auch der Werkstattwagen nicht.
Weitere Eindrücke aus der Innenstadt an diesem sonnigen und bitterkalten Mittwoch:
Resümierend bleibt mir vor allem eines in Erinnerung: Hilfsbereitschaft. Egal, wer sich an welcher Straßenecke gerade wieder festgefahren hatte, schnell waren zwei, drei sich völlig fremde Personen gefunden, die mit anschoben, schaufelten oder den Tipp mit der Fußmatte verrieten. Da geriet das Fotografieren oft in den Hintergrund. Und ich habe einmal mehr gelernt, zu welchen Riesen Autos in der Stadt heranwachsen, wenn man sie in einem anderen Licht betrachtet – was durch die üppige Schneeverhüllung in bester Christo-Manier geschah. Man nimmt sie im Alltag gar nicht mehr wahr bzw. als gegeben hin. Doch wie anmutig wäre wohl eine Stadt, ohne diese jetzt weißen und bald wieder dunklen Mumin-Warteschlangen? Mit einem besser ausgebauten Nahverkehr wäre das keine Utopie, sondern meines Erachtens sogar erstrebenswert.
17.02.2021 – Tag 11 – Tauwetter
In den nachfolgenden Tagen fuhr ich in den Norden um die zufrierende See zu fotografieren. Mit meiner Rückkehr setzte dann Tauwetter ein. Ein interessanter Eindruck waren am 17.02.2021 dabei zahlreiche abgesperrte Hauseingänge, welche die Bewohner*innen vor herabfallenden Eiszapfen und Dachlawinen warnen sollten.
21.02.2021 – Tag 15 – Kontraste
Damit ist das Ende dieser langen Bildserie erreicht. Am 21.02.2021 zeigten manche Thermometer in Jena stolze 21 °C. Das gab Anlass noch einmal auf die Kernberge zu gehen und ein Vergleichsbild zu machen: binnen zwei Wochen satte 29 °C Unterschied zur ersten Aufnahme vom 08.02. und ein maximale Temperaturdifferenz von 38 °C (wenn man die Tmin -19 °C vom 10.02.2021 mit den Tmax 19 °C vom 21.02. an der DWD-Station Jena-Sternwarte vergleicht) ließen den Schnee auf den Bergen und im Stadtbereich sehr schnell bis auf wenige Flecken im Schatten schmelzen. Es war ein merkwürdiges Gefühl bei der Wanderung in kurzer Hose und T-Shirt auf den noch gefrorenen Schleichersee zu blicken.
Wenn Sie diese Seite mit dem Smartphone anschauen und ihr Gerät Augmented Reality unterstützt, können Sie sich jetzt im Raum bewegen und das Bild erkunden:
Frappierend im Direktvergleich:
Über diesen Vergleich können Sie auch in der Thüringer Landeszeitung lesen. Einschätzungen und Eindrücke aus ganz Thüringen finden sich auf der Seite der Thüringer Storm Chaser e.V.
Downloadmöglichkeiten:
- Sie dürfen einzelne Bilder herunterladen (Rechtsklick / Speichern unter) und zwar ausschließlich für den privaten Gebrauch; z.B. als Desktop- oder Smartphonehintergrund verwenden und bis zu einer Größe von 10 x 15 cm auch drucken. Bezahlen Sie einen Betrag Ihrer Wahl an paypal.me/marcorank, wenn Sie meine Arbeit unterstützen möchten.
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Herzliche Grüße Marco Rank
Hallo Marco,
Ich möchte mich ganz herzlich für diese wunderwunderschön Fotodokumentation bedanken. Ich freue mich ja über jedes Foto meiner Heimatstadt, aber so eine schöne und liebevoll zusammengestellte Fotoseite habe ich lange nicht gesehen. Jedes einzelne Foto habe ich sehr lange betrachtet und ich finde du hast ein tolles Talent die Dinge festzuhalten und ins beste Licht zu rücken….. Ein Foto ist mir ganz besonders ins Auge gestochen und mein absoluter Favorit….. die Windmühle!
Ich bin noch immer ganz verzaubert…. 😀
Herzlichen Grüße ….. Heike Schau
Hallo Heike, ganz herzlichen Dank für deine lieben Worte. Ja, die Krippendorfermühle hat es mir beim Blick durch Zweige mit Raureif auch ganz besonders angetan. Herzliche Grüße Marco Rank
Eine klasse Reportage, Marco! Bilder die mir sofort bleibend in Erinnerung geblieben sind: Das mit dem Nollendorfer Hof im Hintergrund, dem Mercedes neben dem Pulverturm sowie der Zaun vom Johannisfriedhof. Aber auch die Rebhühner und das im Schnee suchenden Reh. Bei 2:19min, im Video vom 8.2., setzte mir beim betrachten kurz das Herz aus. Geht ja doch tief runter und 2:55min und 3:15min verzauberte wunderbar mit dem Licht. Und wie kurz vor Ende der fallende Schnee glitzert, während die Vöglein zwitschern 😍. Allgemein Wahnsinn, dass das alles so vor kurzem hier noch in Jena aussah. Das Windmühlenfoto vom 09.02.2021 hat es mir ebenfalls angetan ❤️. Die Bilder mit der Postlieferung, dem Blick auf das Rathaus vom Mcens aus sowie die Baumallee beim Teichgraben sind auch sehr einprägsam. Wie auch der abschließende Kontrast zw 08.02. und 21.02. Vielen Dank fürs zeigen 👏🏻!
Liebe Dajana, wow – kann ich da nur sagen; wie detailliert du dir die Reportage angeschaut hast! Vielen Dank! Es gab so viele spannende Szenen in diesen Tagen und es freut mich ungemein, wenn du ähnlich viel Freude beim nachträglichen Miterleben meines Weges hattest 🙂 Herzlichen Dank und liebe Grüße Marco
Schöne Dokumentation und wirklich ausgezeichnete Bilder! Ich frage mich nur, warum Sie die Schreibweisen ”Einwohner*innen” und ”Bewohner*innen” wählen und damit nicht-binäre Menschen ausschließlich. Was diese Provokation soll, habe ich ganz ehrlich, bei allem Respekt für den Content, nicht verstanden.
Hallo Basti, danke für Ihre Worte! Meinen Sie „ausschließen“? Also mit dem Sternchen will ich natürlich bewusst alle Menschen ansprechen. Was wäre Ihrer Meinung nach die korrekte Ansprache? Herzlichen Gruß Marco Rank
Hallo
Das ist wirklich eine wunderschöne Fotoserie von diesem einmaligen Ereignis. Respekt für diese großartige Zusammenfassung dieser Zeit in Wort und Bild. Bei dieser Reportage sind dir tolle Aufnahmen gelungen, die sich wahrscheinlich nicht so schnell wiederholen lassen.
Danke dass du diese mit geteilt hast. 🙋♂️
Hallo René, vielen lieben Dank! Auch wenn ich sehr hoffe, dass es kein allzu seltenes Ereignis bleiben wird, spricht die Statistik klar dagegen. So müssen wir uns wohl in verschiedenen schneelosen Wintern mit diesen Bildern begnügen. Herzliche Grüße Marco
Ich bin von dieser Fotoserie ganz begeistert. So habe ich Jena noch nie gesehen. Bin zum ersten mal in diese schöne Mittelalterliche Stadt im Februar 1990 von München gefahren. Es war ein Erlebniss und ich habe sie noch viele Male besucht. Mit den Schneebildern musste ich mich auch oft besinnen, wo dies oder jener Platz ist. Jena wurde immer schöner. Auch die kleine Wanderung zum Fuchsturm von Ziegenhain aus habe ich in guter Erinnerung.
Hallo Frau Stangl, es freut mich, dass ich Sie mit auf die Reise durch und um die Stadt nehmen konnte. Ein Winter wie er sicher in langer Erinnerung bleiben wird. Herzliche Grüße Marco Rank
Hallo Marco,
kleine Schneeflocken heute, am 9. März 2021, haben uns animiert, deinen Flockdown ins gemütliche Wohnzimmer zu zaubern! Tolle Fotos sind dir gelungen, die hoffentlich noch viele bestaunen werden! Wahrscheinlich erst in 10 Jahren werden dir in Jena solche Fotos wieder gelingen, denn hier sind die Winter eigentlich mild. Danke, dass wir dabei sein durften und wir wünschen dir weiterhin wunderschöne Motive und freuen uns auf neue Eindrücke von deinen Fotoserien.
Es grüßen dich herzlich
Sabine und Ute
Liebe Sabine, liebe Ute, wie schön von Euch zu lesen. Recht habt ihr – die Winter hier sind verhältnismäßig mild und solch ein Ereignis (neben den Folgen des Klimawandels) somit umso bedeutsamer. Danke für’s Reinschauen und herzliche Grüße Euer Marco
Hallo Herr Rank,
durch die ganzseitige Berichterstattung über den „Flockdown“ von Jena in der heutigen OTZ (ein sehr interessanter Beitrag) bin ich auf ihre noch interessantere Seite gekommen.
Ich bin begeistert von den Jena-Fotos, habe ich doch von 1969 bis 1994 in Jena gelebt und die Stadt ist immer noch der „Mittelpunkt“ für Besorgungen und Kultur.
An die Wetterkapriolen vor einem Jahr (Februar 2021) kann ich mich noch gut erinnern, hier in Bad Klosterlausnitz gab es nach dem „Blutschnee“ der Vortage auch heftige 40 cm Neuschnee.
Am 13.2.21 waren es frühmorgens mehr als 10 Grad minus und damit ideale Bedingungen für den Mpemba-Effekt, das blitzartige Gefrieren kochenden Wassers, wenn dieses „zerstäubt“ wird.Leider kann ich ihnen hier kein Bildbeispiel anfügen.
Wenn ich mich richtig erinnere war 1983 auch so ein Winter, wo man bereits in der Stadt die Langläufer anschnallen konnte.
Für ihre vielen anderen Fotos werde ich mir mal richtig Zeit nehmen.
mit freundlichem Gruß
Jürgen Koch
Hallo Herr Koch,
besten Dank für Ihre Eindrücke! Der Mpemba-Effekt ist mir bekannt. Leider bietet sich inzwischen immer seltener die Gelegenheit, ihn auszuprobieren. Wie im OTZ-Artikel erwähnt, berichtete mir ein Langläufer am 08.02.21, dass er in 33 Jahren lediglich an drei Tagen auf Ski zur Arbeiten laufen konnte. Das wird in Zukunft wohl noch seltener. Herzliche Grüße Marco Rank