Tornado Alley Log 2023

Endlich ist es wieder so weit! Zwischen Mai und Juni werden wir (ein Team des Thüringer Storm Chaser e.V. – hier geht es zum gemeinsamen Blog) nach langer Pause die schönsten Gewitter des Planeten in der Weite der amerikanischen Prärie dokumentieren. Dieses “Log”-Buch (bzw. Tagebuch) zeigte erste Highlights, wie wir sie abends im Hotelzimmer nach langer Fahrt kurzum zusammenstellen können. Zur Orientierung für die Lage wird die Risikoeinschätzung (Convective Outlook) des Storm Prediction Centers (kurz: SPC) nach dem Datum abgekürzt angefügt. Vgl. Probabilistik.

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2023-05-242023-05-252023-05-26*2023-05-27
2023-05-28*2023-05-292023-05-302023-05-31
2023-06-012023-06-02*2023-06-032023-06-04
2023-06-052023-06-062023-06-072023-06-08
2023-06-092023-06-102023-06-112023-06-12
2023-06-13*2023-06-142023-06-15Resümee
Fett = Wetter-Highlight, * = Tornado(s), Kursiv = Off-Days

2023-05-24 Hinflug. Nach Anreise mit Bahn und Übernachtung in München beginnt der Zauber mit dem Flug nach Denver (Colorado) um 16:05 Uhr von Terminal 2. Die Boing 787-9 des United Airlines Fluges UA761 bringt uns sicher über den großen Teich. Das erste Highlight stellt der Flug entlang der Nordseeküste dar. Wir sehen die Halbinsel Eiderstedt mit St. Peter Ording und können mit bloßem Auge den Leuchtturm Westerheversand in der malerischen Landschaft des Nationalparks Wattenmeer erspähen. Es folgen die Halligen, Amrum, Sylt und Teile Dänemarks bis wir vor Blavand weiter nach Nordwesten fliegen. Die unverwechselbare Schönheit des ewigen Eises von Grönland bis Kanada mit riesigen schneebedeckten Berggipfeln und weiten Meeresflächen hält uns in ihrem Bann.

2023-05-25 ENH Roy-Superzelle. Um 4:30 Uhr wachen wir voller Tatendrang im ersten Motel in Denver auf. Nach einem ausgiebigen Frühstück richten wir unser Auto mit allerhand Technik zur Wetterbeobachtung ein und erledigen Einkäufe bei Walmart und Verizon, um schließlich die 4,5 h Fahrt nach Clayton, New Mexico (dem heutigen Zielgebiet) anzutreten. Wir beobachten die ersten kräftigen Entwicklungen von Raton, NM aus kommend (westlich des Sugarite Canyon State Parks) in Grenville, NM am Highway 87. Hier sind wir uns zunächst unsicher, welche der Entwicklungen (die nördlichen oder südlichen) das Rennen machen. Beim Beobachten und Warten bietet sich die Gelegenheit einige heimische Vögel zu fotografieren, u.a. Ohrenlerchen und Keilschwanz-Regenpfeifer. Wir entscheiden uns schließlich eine rotierende Gewitterzelle im Südwesten bei Roy, NM anzufahren, was im Anbetracht des fortgeschrittenen Tages sportlich war. Gerade so zum Sonnenuntergang gelang es uns, dem Gewitter der Begierde zu begegnen. Friedlich rotierte die Superzelle nebst Grundstück mit Windrad im letzten Sonnenlicht über der Prärie, während über uns riesige Mammatus-Wolken den Eisschirm verzierten. Mit Einbruch der Dunkelheit begann schließlich die Weiterfahrt ins Motel nach Tucumcari, NM. Auf dem Weg versperrten uns einige Unwetter den Weg. Regelmäßig mussten wir anhalten um dem Hagel (größer als 2 cm) Vortritt zu gewähren. Wir erhielten sogar eine Warnmeldung vor ‚Baseball-sized hail‘ einer Superzelle über unserem Motel. Die lange Fahrt im Starkregen, unter dem Geräusch der auf dem Autoblech zerschellenden Hagelschlossen und dem permanenten Stroboskopleuchten der Blitze war ausgesprochen kräftezehrend. Um 22:30 erreichten wir dann das teils überflutete Econolodge-Motel und fielen alsbald in einen tiefen Schlaf (trotz andauernder Gewitter die Nacht hindurch).

2023-05-26 ENH Vaughn & Encino-Tornado. Von Tucumcari fuhren wir am Vormittag als Ausgangslage nach Roswell, New Mexico. Nach einigen Alienfotos in der Innenstadt trafen wir die Gruppe um Janek Zimmer, mit der wir uns für die deutlich nördlichere Entwicklung bei Vaughn, NM entschieden, da vor Ort die Unwetter-Parameter nicht mehr optimal waren. Pünktlich zum Eintreffen zeigte sich nahe Encino, NM ein antizyklonaler Tornado. Die Struktur der Superzelle sah zwischenzeitlich prächtig aus, sollte aber bald den Weg für ein nachfolgendes Gewitter frei machen. Wir beobachteten die neue Zelle unter Beschuss durch positive Wolke-Erde-Blitze, die völlig unvermittelt aus dem Amboss um uns herum einschlugen (einige Male in unter 100 m Distanz – akute Lebensgefahr). Am Boden fanden wir Hagelschlossen von 3 cm Größe (aus der vorausgegangenen Zelle). Neben uns hielt der Pickup eines US-Einwanderers auf Urlaubsreise, der völlig unvermittelt zwischen die Storm Chaser geriet. Er gab sich als Deutscher aus Jena-Winzerla (!) zu erkennen – die Welt ist klein. Wir begleiteten die Zelle noch weiter nach Osten, wo sie vom klassischen in den LP-Modus (letzteres steht für ‚low precipitation‘) wechselte, bis sie sich schließlich im Licht der Dämmerung auflösen sollte. Gemeinsam mit einem Einwohner New Mexicos, der für das anstehende Memorial Day-Wochenende auf Rückreise zur Familie nach Clovis befand, ansonsten in Los Alamos als Techniker arbeitete, fotografierten wir noch Blitze und tauschten uns über die Schönheit des Bundesstaates mit seinen – gerade im Osten – gut strukturierten Gewittern aus. Für den Start am Folgetag wählten wir wieder Roswell, NM und ein entsprechendes Motel (das LaQuinta Inn).

2023-05-27 SLGT Fort Sumner Superzelle. Nach einem gemütlichen Frühstück und der Dokumentation von heimischen Purpur-Graukeln und Carolina-Tauben setzten wir uns in Richtung nördliches New Mexico in Bewegung. In Fort Sumner trafen wir an einer All Sup’s Tankstelle auf zahlreiche in der Öffentlichkeit bekannte Storm Chaser, u.a. Daniel Shaw, Pecos Hank und Mike Olbinski. Nach einem kurzen Austausch zur Lage fuhren wir nach Westen aus dem Ort, um in Ruhe die weitere Vorgehensweise inmitten der Quellungsversuche sondieren zu können. Das Zielgebiet grob westlich bis südlich von Clovis, NM (wieder einmal) gab uns hinsichtlich der frühen Auslöse einer südlichen Zelle Rätsel auf. Wir warteten geduldig und wurden mit dem lokalen Erscheinen der Zelle, auf die alle unsere Hoffnungen gründeten, fürstlich belohnt. Im Nordwesten mit Blick auf Lake Sumnor fanden wir uns kurze Zeit später unter dem Amboss mit Blick auf eine dynamische Mauerwolke wieder. Stürmische Inflow-Winde strömten zur Zelle hin, während sie sich uns langsam näherte. Es folgte eine Verlagerung nach Osten, um das rotierende Gewitter weiterhin aus der Nähe beobachten zu können. Inzwischen waren zahlreiche Storm Chaser aus der Umgebung zu uns gestoßen. All betrachteten die Wolkenunterseite auf eine möglich Tornadobildung hin, welche allerdings ausblieb. Danach hieß es abermals: Repositionieren. Über Fort Sumner folgten wir dem Highway 60 bis nach Taiban, NM, wo wir nach der Durchquerung eines Canyons schließlich der nun wundervoll eingedrehten Superzelle erneut begegnen konnten. Die Freude über das Himmelsschauspiel währte nur kurz, mussten wir doch über ländliche Wege weiter nach Osten und Süden dem Hagel entgehen. Die Superzelle verlor nun an Form und unsere Aufmerksamkeit richtete sich auf eine im Westen nachfolgende Entwicklung, der wir uns über Melrose, NM auf Highway 60 annäherten. Sowohl die alte als auch die neue Zelle konnten uns jedoch nicht mehr überzeugen, sodass wir das Chasing abbrachen und in Richtung Nordosten ins neue Zielgebiet für den nachfolgenden Tag aufbrachen. Unterwegs gab es in Clovis, NM beim Twin Cronnies Drive Inn ‚Plains Burger‘ mit Kartoffelspalten und ‚free twisted icecream‘. Wir übernachteten im Country Inn & Suites in Amarillo.

2023-05-28 SLGT Stratfort-Mutterschiff mit Tornado. Nach Frühstück und Einkauf in Amarillo trafen wir uns mit Team 2 und den australischen Storm Chasern Jane & Clyve Herbert an der Pilot-Tankstelle in Stratfort, TX. Nach einigen herzlichen Momenten des Wiedersehens und Austausches sahen wir gen Osten die ersten Zellen entstehen. Während sich die Australier einer Zelle im Oklahoma-Panhandle näherten, setzten wir auf die südlichere Auslöse. Westlich von Morse, TX zeigte sich eine gesunde Aufwindbasis. Janek, der auf diese Entwicklung gesetzt hatte, war zunächst wenig begeistert. Bei näherer Betrachtung stießen wir auf Großhagel (ca. 5 cm), der wenige Minuten zuvor aus der Zelle gefallen war. Gegen 17 Uhr Ortszeit erreichte die Superzelle ihr Aktivitätsmaximum und rotierte mit verdächtigen Absenkungen und Funnelcloud-Ausbildung über einem ländlichen Anwesen. Kurze Zeit später erfolgte die Tornadowarnung des Wetterdienstes. Die Anwohnerin fuhr mit ihren Kindern vom Hof, um zu sehen, ob sich jemand von uns in dem weichen und wassergesättigten Sandboden ihrer Einfahrt festgefahren hätte. Am Ende produzierte das Gewitter keinen Tornado. Die zweite, nachfolgende Zelle erfuhr dann eine große Aufmerksamkeit der Storm Chaser, die aus allen Himmelsrichtungen das nun erfolgversprechende Zielgebiet heimsuchten. Wir ließen diese alsbald zurück, um eine dritte Neuentwicklung im Südwesten von Stratfort, TX anzusteuern. Doch wie die anderen zuvor war auch unsere dritte Zelle des Tages schnell tornado-bewarnt. Wir navigierten uns mit entsprechenden Fluchtrouten in die südwestliche Zugbahn des sogenannten „Hooks“, der eingedrehten Radarsignatur, an der die Tornadobildung bei Superzellen zu erwarten ist. Auf dem Weg dorthin mussten wir eine 15 m lange und geschlossene Wasserfläche befahren, in der gerade so noch Fahrspuren zu erkennen waren. Vorsichtig und sicher durchquerte Andre den gefluteten Weg und brachte uns in Position zur Zelle. Der Zustrom an feuchtwarmer Luft in das Gewitter war so stark, dass er Staub von den Feldern mit sich zog und die daraus resultierende dunstige Atmosphäre den klaren Blick auf die Zelle versperrte. Jetzt hieß es schnell sein: Stative raus, Kameras aufbauen, 360-Kamera auf dem Auto starten, Radar im Blick behalten und die sich aus dem Dunst herausschälende Struktur beobachten. In der Tat, die Zelle bildete kurz darauf einen Tornado aus. Wir konnten ihn durch den Staub erkennen. Die Sprache verschlug es uns jedoch eher aufgrund des sogenannten Mutterschiffs, dass sich mit zunehmendem Abstand der Zelle (sie zog jetzt eher westwärts) herausschälte und einen unfassbaren Eindruck einer sehr gut organisierten Mesozyklone (hochreichend rotierender Gewitteraufwind) schaffte. Nach einmaliger Verlagerung nach Westen und erneutem Fotografieren wurde das Gewitter von einer ‚Squall line‘ (Gewitterlinie) überrollt, was uns zur Flucht nach Süden zwang. Um das morgige Zielgebiet zu erreichen, steuerten wir über Dumas und Stinnett, TX nach Nordosten mit Kurs auf Liberal, KS. Bei Spearman, TX holte uns die Linie schließlich ein. Eingebettete Rotation machte uns nach Einbruch der Nacht Sorgen. Wir durchquerten den Bereich vorsichtig – auch um den nahen Hagelschlag zu vermeiden. Der Tag endete erfolgreich im Southwind Inn.

2023-05-29 SLGT Pool & Park. Das überaus erfolgreiche Chasing vom Vortag wurde zum Memorial Day mit Burgern und einem vegetarischen Pesto-Omlette bei IHOP gefeiert. Im Anschluss säuberten wir den Wagen und erkundeten Liberal, KS. Dazu zählte auch ein Besuch in ‚Dorothy’s House‘, wo es neben einer heimatgeschichtlichen Ausstellung Mitbringsel zum Thema Zauberer von Oz und Tornados gab. Ab 15 Uhr durften wir unser (an diesem Tag) überaus luxuriöses ‚Studio‘ (dank eines Upgrades) im Fairfield Inn beziehen. Was soll man sagen: viele Steckdosen, neue, sauberere Räume und Platz, um die Koffer umzuräumen. Wir gingen im Pool schwimmen und genossen den freien Tag ohne gewittertechnisch etwas verpassen zu müssen. Thomas und ich besuchten abends noch den Arkalon Park im Nordosten der Stadt, wo wir u.a. einen Rotkopfspecht und Keilschwanzregenpfeifer sahen.

2023-05-30 ENH Air Museum, Cimarron National Grassland mit Shelf cloud. Nach einem guten Frühstück besuchten wir das Mid-American Air Museum und ließen uns von den kleinen wie großen Flugzeugen faszinieren (z.B. B-25 Mitchell, Bell UH-1 Huey, F-14 Tomcat). Zum Mittagessen ging es zu ‚Dairy Kreem‘ in Elkhart, KS für Tacos und Burger. Den Nachmittag und Abend wollten wir schließlich im ‚Cimarron National Grassland‘ verbringen und dort auf die aus Westen und Südwesten hereinziehende Squall line warten. Wir erkundeten den ‚Point of Rock‘, genossen die Ruhe und fotografierten Vögel, wie z.B. den hier weit verbreiteten Truthahngeier. Am Abend wurden dann die Gewitter aus New Mexico und Colorado kommend am Horizont sichtbar. Zwar blieben die gewünschten diskreten, also einzeln stehenden Gewitter im Vorfeld aus, dafür wurde uns eine grandios beleuchtete Shelf cloud zu Teil, die zusammen mit den Felsen und mit dem weiten Ausblick über das Grasland alle Erwartungen übertraf. Mit Abfahrt nach Süden mussten wir noch einzelne Niederschlagskerne mit Hagel durchfahren und konnten beim Abziehen dieser eine regelrecht vor Donner und Hagel ‚rauschend-grollende‘ stroboskopartig beleuchtete Gewitterwand fotografieren. Glücklich und müde fuhren wir noch eine dreiviertel Stunde nach Boise City, um dort im Townsman Motel abzusteigen.

2023-05-31 SLGT Besuch in Milnesand. Inzwischen haben wir gut zu tun, die an den aktiven Tagen entstandenen Datenmengen täglich unterzubringen. Von den schnellen SSDs galt es nun auf HDD mit mehr Speicherplatz umzusteigen – mit der Einbuße langsamerer Übertragungsgeschwindigkeiten. Das führt teilweise dazu, dass man die abendlich und morgendlich gestarteten Datenübertragungen der Speicherkarten und deren Backups am Folgetag im Auto weiterlaufen lassen muss. Wir trafen Team 2 in Tucumcari, NM wo wir gemeinsam in Del’s Restaurant u.a. Steaks aßen. Zusammen fuhren wir nach Melrose im Süden. Hier eingetroffen fiel sofort die ausgesprochen rote Färbung der Umgebung auf. Es war viel Sand in der Luft und dementsprechend unterirdische Sichtweiten. Die Entstehung von Einzelzellen, die schnell tornado-bewarnt waren, verfolgten wir auf dem Radar. Nach kurzer Zeit des Zögerns steuerten wir schließlich das Gewitter bei Elida, NM an und sahen den Aufwind im Pulk vieler anderer Storm Chaser inklusive des Forschungsprojekts TORUS etwa auf Höhe Milnesand, NM. Die nachfolgenden Entwicklungen sahen zwischenzeitlich nicht mehr gut aus, was uns zum Abbrechen und Rückfahrt nach Clovis, NM bewog. Dort aßen wir noch einmal unter Aufblubbern von V8-Motoren, Starkregen und Donnergrollen bei Twin Cronnies, um anschließend im Super 8 unterzukommen. Kurz vor dem Schlafengehen zog westlich von Clovis noch das Überbleibsel einer Superzelle inkl. Shelfcloud auf. Starkregen und einzelne gewalte Donnerschläge waren die Folge.

2023-06-01 SLGT Ackerly’s low-topped LP. Nach einem Standard US-Frühstück im Super 8 und netten Plausch mit dem Mitarbeiter am Front Desk starteten wir in unser heutiges Zielgebiet bei Lubbock in Texas. Auf einen abziehenden MCS südöstlich der Stadt sollten etwas zwischen Seminole und Lamesa, TX mehrere diskrete Zelle in hochgradig gescherter Umgebung entstehen. Diese konnten wir auch beobachten. Jedoch fehlte es offenbar an Einstrahlung und CAPE, um die gewünschten Superzellen hervorzubringen. So betrachteten wir am Nachmittag einige Low-topped LP’s zwischen Ackerly und Gail, TX, trafen dabei noch einmal Jane und Clyve Herbert von ‚Australian Sky and Weather‘ und fotografierten unsere erste Dosen-Schmuckschildkröte. Unser Übernachtungsort sollte für die kommende Lage Midland, TX werden. Beim Abendessen im Wendy’s tauschten wir uns noch mit Team 2 über den Tag aus und schliefen schließlich im Tru by Hilton.

2023-06-02 ENH Fort Stockton-Tornado. Das Setup für heute sah deutlich besser aus. Bereits mittags sollten die ersten Zellen in hervorragend gescherter Umgebung entstehen. Aus diesem Grund beeilten wir uns mit Frühstück und Einkauf im Walmart für die Fahrt nach Fort Stockton, TX – dem heutigen Zielgebiet. Die Alternative südlich von Lubbock, TX erschien uns aufgrund der Überflutungen des Vortages als wenig attraktiv. Bereits bei der Anfahrt sahen wir den breiten Amboss am Horizont. Gerade so rechtzeitig konnten wir die erste Zelle des Tages auf ihrer Ostseite überholen und so den gewünschten, verifizierenden Blick auf die rotierende Mauerwolke als Abgleich zum Hakenecho des Radars erhaschen – da kam bereits die Tornadowarnung über Radio und Smartphone herein. Wir verlagerten uns in den Osten von Fort Stockton und wollten aufgrund der östlichen Zugbahn des Gewitters den Highway 67 nach Nordosten nehmen. Vor Ort landeten wir aber in einer einspurigen Baustelle mit Ampel und einigen anderen Chasern hinter uns. Wir brachen ab und fuhren stattdessen die Interstate 10 auf einer Service Road entlang, wo wir kurz vor der Abfahrt zu Farm Road 2023 schnell hielten. Die Zelle hatte nun einen südöstlichen Kurs eingeschlagen (die Baustellenroute wäre so durchaus schlecht gewesen) und wir standen an der Interstate perfekt für das aufziehende Rotationszentrum. Die Blitzrate steigerte sich noch einmal und um uns herum schlugen wiederholt positive Entladungen in der Fläche ein. Mit unguten Gefühlen diese Unsicherheit betreffend aber fasziniert vom Himmelsschauspiel holten wir die Stative raus und starten Zeitraffer, Foto und Film. Obwohl Team 2 in ein einem anderen Motel übernachtet hatte, tauchten sie ohne weitere Abstimmung plötzlich vor uns auf, sodass wir die Szenerie gemeinsam genießen konnten. Die türkise Färbung der Basis gepaart mit den Blitzen und gegenläufigen Regenvorhängen, die auf starke Rotation schließen ließen, beschreiben in etwa, wieso wir Storm Chaser immer wieder Gewitter und deren Erscheinungsform sehen wollen. Doch es kam noch besser: im Rotationszentrum wurde plötzlich eine Absenkung sichtbar, die sich schnell als Funnel cloud (dt: Trichterwolke) zeigte. Nur wenige Sekunden später stand ein vollständig auskondensierter Tornado vor uns und schraubte sich mit einer deutlichen Staubwolke in ca. 2,5 km Distanz durch den Sand der Prärie. Alles wirkte wie in Zeitlupe. Wir staunten, schwiegen, murmelten, filmten, genossen und flohen schließlich als ein scharf krachender Naheinschlag (unter 100 m) uns zurück in die Autos zwang. Auf der I10 gen Osten unterlag die Wahl der nächsten Abfahrt zunächst der Abwägung, wie weit unsere Tankfüllung noch reichen würde. Die Farm Road 2886 würde uns noch einmal näher an die Superzelle im Pecos County heranführen. Da wir in Fort Stockton aufgrund des frühen Gewitteraufzugs samt Tornadowarnung (Tankstellen sind dann geschlossen) nicht mehr tanken konnten, wurde uns bei 90 Meilen bis zur nächsten Gas Station nahe der mexikanischen Grenze (150 Meilen Rest) mulmig zu Mute. Wir gingen auf Nummer sicher, ließen die Zelle im Pecos County zunächst ziehen, fuhren über den Highway 190 i(m) Iraan, TX tanken, um uns schließlich über Highway 349 und Farm Road 2400 wieder in Position für die weiter südöstlich ziehende tornadische Zelle zu bringen. Während die Fahrt in der Regel durch tiefe Canyons führte, bekamen wir hin und wieder auf der Ebene gute Sicht nach Westen. Hier standen vereinzelt Chaser, die aus jeweils individuellen Gründen, diese Route gewählt hatten. Langsam aber stetig zog die weiterhin tornado-bewarnte Zelle auf uns zu. Das Rotationszentrum überquerte die Farm Road nördlich von uns, während wir uns auf das südliche Ende für die Entstehung einer neuen Basis fokussierten. Insgesamt machte die Superzelle auf unserer Höhe den Eindruck der Reorganisation, was wir zur erneuten Verlagerung nutzten und zurück nach Nordosten über die 349 im Terrell County weiter nach Süden fuhren. Auf dem Weg zur T-Kreuzung mussten wir dicht an den Hagelkern der Superzelle heranfahren und fanden plötzlich eine eingebettete Rotation direkt neben uns vor, die wir mit aller Vorsicht über uns hinweg ziehen ließen. Die dritte Begegnung mit der Superzelle fand wieder unter scharfen Beschuss durch Erdblitze statt, was die baldige Rückkehr ins Auto zur Folge hatte. Von dort an zeigte sich auch eine Neuentwicklung südlich von Sanderson am Highway 90 auf dem Radar. Die Überlegung war nun, diese Zelle östlich auf dem Highway zu überholen, solange noch Zeit und entsprechender Abstand zum Hagelkern (an dem Tag potentiell bis 10 cm) bestand. Da die Fort Stockton-Zelle im Nordwesten von uns zu diesem Zeitpunkt mit anderen südlich anbauenden Entwicklungen eine Linie zu bilden schien und wir ohnehin von diesem bereits früh begonnenen Chasingtag zusammen mit der Reihe an der Erlebnissen der vergangenen Woche erschöpft waren, gab es gegensätzliche Meinungen für eine Weiterfahrt Richtung Südosten auf Highway 90 an der mexikanischen Grenze entlang. Hagel bedingt mussten wir am Ende so oder so über die Kreuzung von 349 und 90 den Rückweg nach Fort Stockton antreten, was uns zu einem wunderbaren Regenbogen und einer plötzlichen Tornadomeldung der freistehenden Superzelle führte. Wir versuchten noch von hinten durch den Hagelkern an die Zelle heranzufahren, während der Tornado rechts neben und für uns unsichtbar zwischen Highway 90 und mexikanischer Grenze weiterzog. Als die Sicht nicht besser zu werden und der vor uns langziehende Hagelkern die 90 nicht zu verlassen schien, brachen wir schließlich das Chasing ab. Etwas enttäuscht, ob des entgangenen zweiten Tornados, traten wir die Rückfahrt an. Dieses Gefühl wich jedoch schnell wieder dem omnipräsenten Glücksmoment, auf dieser Reise bereits sehr viele unterschiedliche Höhepunkte erlebt haben zu dürfen. In dieser Stimmung der Dankbarkeit betrachten wir die abziehende zweite tornadische Superzelle mit einem gigantischen Mammatus-Eisschirm und vielen Blitzen nahe des starken, wunderschön eingedrehten Aufwindturms. Gegen Mitternacht bezogen wir dann im Days Inn in Fort Stockton, TX müde und glücklich Quartier.

2023-06-03 MRGL Reifenpanne in San Antonio. Nach einer durchwachsenen Nacht mangels guter Luft im Motel erwachten wir in Fort Stockton, Texas. Bis 11 Uhr hieß es Daten kopieren und sicheren, danach ging es nach einem kurzen Plausch mit Mike Olbinski zum Auto säubern und Mittag im K-Bob’s Steakhouse. Mit einer möglichen Chasing-Option machten wir uns zum Sightseeing gen Südosten auf den Weg. Die nachfolgenden Tage sollten nämlich größtenteils unwetterfrei werden. So zeigte sich der Himmel demonstrativ strahlend blau, als wir noch einmal östlich der Stadt auf der Service Road ein Vergleichsbild zum Vortag erstellten (Unsere Wahl fiel auf Houston, TX mit dem Space Center. Kurz vor San Antonio hörten wir ein lautes Schnarren hinten links unter dem Auto und stellten einen Reifenschaden fest. Schnell zog Andre auf die Emergency Lane und hielt. Der Reifen war während der Fahrt geplatzt. Die Roadsite Assistance von Alamo organisierte uns einen Abschlepper. Es kam jedoch nur ein kleiner Pickup mit einem Mann samt Frau und Kleinkind im Auto, der unser Reserverad freilegte und direkt an der vielfach befahrenen rechten Spur der Interstate – wohlbemerkt in einer schlecht einsehbaren Rechtskurve stehend – binnen 5 Minuten erfolgreich wechselte. Den kaputten Reifen im Gepäck wollten wir den Wagen bei Alamo am San Antonio Airport tauschen, was wir mangels passendem Ersatzwagen aber nicht konnten. Also bezogen wir zunächst unser Motel (das Candlewood Suites), um tags drauf das Rad hinten links reparieren zu lassen.

2023-06-04 MRGL Sonntagsreifen und Downtown Houston. Am nächsten Morgen begann zunächst die Suche nach der passenden Werkstatt. Alamo nannte uns vier Firmen, mit denen sie kooperieren würden. Zudem war Sonntag. Adresse Nr. 1 Firestone war zwar geöffnet, hatte aber nur einen ausgelasteten Techniker vor Ort. Bei Goodyear (Nr. 2) hätte es 3 Stunden gedauert. Die Pep Boys boten uns unterdessen einen Reifenwechsel in 30 Minuten an. Dort eingetroffen, dauert es noch eine Weile bis der Front Desk die Rechnung an Alamo richtig verbuchen konnte (läuft nämlich über Enterprise). Die eigentliche Ausstattung mit einem neuen Reifen war in weniger als einer halben Stunde erledigt. Insgesamt ist der Servicegedanke in den USA beispiellos. Ein Kunde hinter mir fragte z.B. „Can you tell me a place where I can do the inspection on sunday?” – und er bekam eine Reihe an Firmen genannt, die dies anbieten würden. Nachdem mir Brendon, der Front-Desk-Mitarbeiter, berichtete, dass er aufgrund seines Vaters (Airforce) in Deutschland kurz vor dem Fall der Mauer geboren worden sei und unbedingt einmal zurückkehren wolle, war unser Wagen auch schon wieder fahrbereit. Glücklich darüber, dass unser Auto nicht getauscht werden musste und wieder einsatzbereit war, frühstückten wir bei Denny’s und fuhren anschließend weiter nach Houston. Die Durchquerung der Stadt in Richtung Südosten führte uns direkt über Downtown. Abends bezogen wir unser zweitägiges Motel (Kemnah Edgewater) auf der „NASA Road 1“ in Seabrook. Nach all der bewegungsfreien Fahrerei machten wir einen kurzen Spaziergang inkl. Eis bei feuchtwarmer Meeresluft (82 °F über 68 °F = 28 °C 2m-Temperatur über 20 °C Taupunkt). Bei dem Versuch dem nahen Clear Lake einen Besuch abzustatten, fiel auf, wie schwer der quasi überall privatisierte Zugang zum See war.

2023-06-05 TSTM Space Center Houston und Filmabend. Mit einem überschaubar nahrhaften Frühstück im Magen starteten wir den von Andre vorgeschlagenen Besuch des Space Center Houston unweit unserer Unterkunft. Neben der Ausstellung über verschiedene Raumfahrtprogramme samt beeindruckender Artefakte (diverse Mondgesteine, Kampfpilotinnenanzug von Astronautin Judith Resnik, die am 28.01.1986 in der Challenger-Katastrophe ums Leben kam oder dem Anzug von Michael Collins, Astronaut der Apollo 11-Mission) faszinierten uns vor allem die Außenbereiche und Touren. Direkt am Eingang sahen wir das international bekannte Shuttle Carrier Aircraft (SCA) – die Space Shuttle Replik ‚Independence‘ im Huckepack einer Boing 747-100. Das Innenleben wurde zu Ausstellungsräumen ausgebaut. Unweit davon liefen wir zu einer gebrauchten Falcon 9 von Space X, die mit ihrer spektakulären Rückkehr und Landung in Florida jüngst Geschichte schrieb. Ohne jeden Zweifel war der Anblick einer „echten“ Saturn V (zusammengebaut aus den abgesagten Missionen 17, 18 und 19) nebst einer verwendeten – im Vergleich winzigen – Mercury-Kapsel das eigentliche Highlight. Die Verzahnung zwischen Ausstellung und dem angrenzenden Johnson Space Center (JSC) ist durchaus bemerkenswert. Ein Tram fährt die Besucher in den gesicherten Bereich, wo wir uns das historisch bedeutsame Christopher C. Kraft Jr. Mission Control Center ansahen – hier wurden u.a. die Apollo-Missionen begleitet. Heute wird die ISS seitens der USA von hier überwacht. Doch nicht nur das, uns wurden viele weitere Raumfahrt- bzw. Forschungseinrichtungen auf dem Gelände vorgestellt. Darunter sind einige Gebäude karg und fensterlos, um Hurricanes wiederstehen zu können. Zum Abschluss nahmen wir an einer Begehung des Astronaut Training Facility teil. Wie im MCC ermahnte man uns auch hier, dass wir Regierungsgebäude im laufenden Betrieb betreten würden und man uns jederzeit rausschmeißen könne, wenn wir die Arbeit stören sollten. Die Parkflächen am Eingang wiesen passend „Astronaut / Cosmonaut Parking Only“ aus. Im Gebäude sahen wir das ISS-Mockup (Trainingsgelände für die internationale Raumstation) und Bereiche, wo z.B. für die aktuellen ARTEMIS-Missionen zum Mond geübt wird. Gesättigt an Eindrücken aber mit deutlichem Hunger im Bauch verabschiedeten wir uns noch von der NASA und gingen unweit des Motels im Las Anita’s hervorragend mexikanisch essen. Der Tag sollte mit einem gemütlichen Filmabend enden.

2023-06-06 TSTM Galveston Library, Strand und Brazoria National Wildlife Refuge. Für diesen Tag hatten wir uns die Stadt Galveston vorgenommen. Sie wurde 1900 vom bislang verheerendsten Hurrikan der amerikanischen Geschichte mit über 10.000 Toten verwüstet. In der Rosenberg Library fanden wir hierzu eine anschauliche Ausstellung. Die Architektur des wiedererbauten Ortes am Golf von Mexiko reicht von einfachen Strandhäusern als Pfahlbauten bis zu steinernen Gebäuden im Stadtkern. Unsere Weiterfahrt am Strand von Galveston Island führte zweimal zu Badeaufhalten an den öffentlichen Strandzugängen (#10 und #16). Die Temperatur des Wassers (85 °F / 29 °C) übertraf die der Umgebung (80 °F / 27 °C) – man bekam einen guten Eindruck, wie viel Energie das warme Wasser dieser „Badewanne“ für Stürme bereitheilten muss. Inzwischen waren auf dem Festland einige Schauer und Gewitter entstanden, die ein wundervolles Panorama und einen willkommenen Sonnenschirm boten. Am Strandzugang #16 warnte ein Schild vor Klapperschlangen in der Düne, die vor Nagetieren nur so wimmelte; während am vorherigen Abschnitt um Meldung von Meeresschildkrötensichtungen gebeten wurde. An der Küste waren zahlreiche Braunpelikane, Schneesichler, Aztekenmöwen, junge Königs- und Brandseeschwalben auf Nahrungssuche zu beobachten. Die Weiterfahrt führte uns über die San Luise Pass Toll Bridge nach Freeport und von da aus zu meinem persönlichen Highlight des Tages: das Brazoria National Wildlife Refuge, wo wir in gerade einmal 1,5 h Kurzaufenthalt folgendes aus nächster Nähe sahen: den amerikanischen (bzw. Mississipi-)Alligator von einem bis über drei Meter Länge, amerikanische Stelzenläufer, Keilschwanzregenpfeifer, Rotschnabelpfeifgans mit Jungen, Amerikateichhuhn, Schopfkarakara, Rotschulterstärling, Silberreiher, Dreifarbenreiher, Schmuckreiher, Kanadareiher, Grünreiher, Dohlengrakel, Rosalöffer, Westliche Bändernatter, Schlammtreter, Schwarzmantel-Scherenschnabel und mehr. Auf der Rück- und Weiterfahrt nach Rosenberg, wo wir im Holiday Inn übernachten sollten, zeigte sich noch ein schöner Regenbogen, der uns vielleicht auf die abendlich stattfindende Wäsche unserer Klamotten im Motel einstimmen sollte.

2023-06-07 MRGL Blitzspektakel an der mexikanischen Grenze. Mit der heutigen Rückfahrt wollten wir uns wieder näher an die Gewitter und entsprechenden Lagen heranbringen. So fuhren wir die I10 sukzessive gen Nordwesten, um in Junction beim Essen in Lum’s Barbecue die Entscheidung zu treffen, in Höhe Sheffield noch an einmal an die mexikanische Grenze zu fahren. Entlang des Highways 90 sah es nach substanziellen Gewittern zum Abend hin aus. Vor Ort trafen wir doch tatsächlich unseren Freund Anton Kötsche aus Deutschland und genossen gemeinsam den Anblick einer sich reorganisierenden Superzelle. Wir fuhren über Sanderson, wo wir bereits getankt hatten, weiter nach Südosten, um ein zweites Mal einen guten Blick auf die Basis zu erhalten. Da man hier in der Regel durch Täler fährt, ist ein erhöhter Standort auf der Ebene gar nicht so einfach zu finden. Doch es gelang uns zum rechten Zeitpunkt. Die Zelle nahm blitztechnisch noch einmal Fahrt auf und unzählige Erdblitze schlugen in verschiedenen Himmelsrichtungen ein. Besonders schön waren die Entladungen, die sich Richtung Mexico im Licht des Sonnenuntergangs zeigten. Nach 21 Uhr fuhren wir schließen weiter nach Fort Stockton ins Sleep Inn & Suites, wo neben uns auch zwei Touren (Storm Chasing Tours & Silver Lining Tours) abstiegen – entsprechend voll war es bei unserer Ankunft in der Lobby.   

2023-06-08 SLGT Carlsbad Caverns National Park und Mexican-Food-Fest. Beim Frühstück trafen wir auf Clyve Herbert aus Australien. Nach einem wiederholt ausgesprochen schönen Austausch über das Storm Chasing im internationalen Vergleich starten wir unseren Sightseeing-Tag (die Gewitterlage Richtung Houston war für uns nun zu weit), indem wir nach New Mexico fuhren. Unterwegs zeigte sich deutlich, wie sehr die Region im südwestlichen Texas rund um Pecos, TX von der Ölindustrie dominiert wird. Mitten in der Chihuahua-Wüste sahen wir unzählige Förderstellen, Anlagen, Mobile Home-Wohnparks für Mitarbeiter usw. In New Mexico fuhren wir in den Carlsbad Caverns National Park. In über 200 m Tiefe erwartete uns einer der weltweit größten Höhlenräume („The Big Room“). Wir wanderten über 6 km durch die über 500.000 Jahre alten Tropfsteinformationen. Ein unvergessliches Erlebnis. Der anschließende Besuch im gut organisierten ‚Gift Shop‘ sorgte für Wohlgefallen, da neben Andenken für Freunde und Familie das Buch „Reptiles & Amphibians of New Mexico – A Field Guide“ in meine Hände fiel. Ironischerweise begegneten Markus, Thomas und Andre in der Zwischenzeit vor dem Visitor Center einem Gecko, der von einer Natter verfolgt wurde. Nach über drei Stunden Höhlenaufenthalt und heißen 34 °C Außentemperatur im Anschluss fuhren wir zur Übernachtung nach Hobbs, NM, wo wir in der Taqueria Jalisco das bisher beste mexikanische Essen (v.a. die Fajitas) samt riesiger Margaritas aufgetischt bekamen. Kugelrund und glücklich bezogen wir das Best Western Executive Inn.

2023-06-09 SLGT Überfahrt nach Weatherford & Willow Park. Den Tag nutzten wir zur Überfahrt vom östlichen New Mexico nach Dallas, Texas – dem neuen Zielgebiet für den Folgetag (Skippen der heutigen Lage in Südost-Colorado / Oklahoma-Panhandle mangels guter Unwetterzutaten und Konzentration auf das Gebiet besserer Windscherung im Südosten der Great Plains). Unterwegs fiel uns auf, dass die Sonne sehr hoch am Himmel stand – circa 80°, nahe dem Zenit. Entsprechend klein waren die Schatten an Objekten. Thomas suchte in den Cirren nach dem Zirkumhorizontalbogen, den man bei dieser Sonnenhöhe gut sehen kann – bislang Fehlanzeige. Richtung Dallas und mit dem Tagesgang stieg die Temperatur immer weiter. Östlich von Snyder erreichte das Thermometer 101 °F (circa 38 °C). Im Zielort Weatherford gingen wir nach dem Einkauf bei Walmart zunächst im „The Pizza Place“ etwas essen (mittelmäßig). Die Unterkunft im SpringHill Suites in Willow Park war im Vergleich zu den sonstigen Plains Motels neu und bot einige Annehmlichkeiten. Bei der weiterhin unerträglichen Hitze machten Markus und ich noch einen Verdauungsspaziergang im Kings Gate Rd Park und gingen mit den anderen im Pool des Hotels baden. Außerhalb der Unterbringung war die Umgebung nahe der Interstate recht laut (erinnerte stark an die A4 daheim), sodass man kaum die Vögel singen hören konnte. Im Umkreis befanden sich viele neugebaute Häuser sowie Gated Communities. Auf unserem kurzen Weg durch den neu angelegten Kings Gate Rd Park entlang des Clear Fork Trinity Rivers sahen wir ein Fuchshörnchen, Weißwedelhirsche, den amerikanischen Biber und diverse Vögel, z.B. den Rotkardinal oder die Rainammer.

2023-06-10 ENH Lotosblumen & HP-Superzelle bei Corsicana. Um 06.10 Uhr klingelte für mich der Wecker. Ich wollte vor dem Frühstück noch Tiere der Umgebung kennenlernen, stieg in die Stiefel, schnappte mir den Rucksack und fuhr zum Lake Weatherford. Hier angekommen, empfing mich eine herrliche Stille bei spiegelglattem Wasser. Nach all der Fahrerei, bei der man sich kaum bewegt und noch dazu an der Landschaft vorbeibraust, tat diese Ertüchtigung und bei gleichzeitiger Entschleunigung sehr gut. Neben dem Kanada- und Grünreiher zeigte sich ein Gürtelfischer (unverkennbar aus der Familie der Eisvögel) zur Nahrungssuche am Südende des Sees. Die weitere Fahrt entlang des Sees führte entlang vielseitig bewachsener kleiner Grundstücke. Am Nordteil erreichte ich mein Ziel, hier führte nämlich ein Steg quer durch die Uferbereiche des mit amerikanischen Lotosblumen bewachsenen Lake Weatherfords. Zunächst sah ich dort nur einen einsamen Angler in einem Kanu. Doch bald tauchten diverse Vögel auf, darunter der Rotschulterbussard, Haustyrannen, Dunenspechte und Brautenten. Auf Höhe der Lotosblumen konnte ich zahlreiche Laubfrösche hören (wenn auch nicht sehen). Sehr einprägsam war die Landung eines Krabbenfischers nur zwei Meter vor mir, der seine Beute – einen amerikanischen Sumpfkrebs – im Schnabel trug. Kurze Zeit später tauchten mehr und mehr Sportler und Menschen mit Hunden auf und die Idylle wich dem Alltagstrubel. Glücklich kehrte ich zur Unterkunft zurück, um unterwegs noch auf eine Gruppe Rabengeier zu stoßen, die sich um ein dem Verkehr zum Opfer gefallenen Reh versammelt hatten. Nach dem Frühstück starteten wir nach Corsicana, TX, wo wir die Entwicklung von ein bis zwei diskreten Zellen, vor der Entstehung eines großen MCS (eines mesoskalig konvektiven Systems) erwarteten. Am Tucker Town Barbecue trafen wir Anton samt Studienfreund wieder und beobachteten das breite Feld an Quellungen entlang der Outflow Boundary des vorausgegangenen MCS. Recht pünktlich zur Auslösezeit des Vorhersagemodells HRRR, sahen wir am Highway 287 im Süden der Stadt den Aufzug einer Superzelle, die schnell in den HP-Modus überging und strukturell damit unattraktiver wurde. Die Linienbildung erfolgte prompt. Bei recht schneller Verlagerungsgeschwindigkeit begegneten wir dem MCS bei Streetman, TX erneut, was allerdings kaum Zeit für Bilder zuließ. Der heulende Abwind in den Stromleitungen war indes sehr einprägsam. Wir folgten dem MCS noch bis Buffalo, wo sich die entstehende Shelf cloud zwischenzeitlich wieder abschwächte und ein lang sichtbares Whale’s Mouth zeigte. Das Verwehen der Rauchfahne eines nahen Brandes kündigte das Eintreffen des Outflows an. Staub von den Feldern wurde durch die Landschaft geweht. Wir beendeten das Chasing an dieser Stelle frühzeitig, um die neuen Lagen in Colorado am Folgetag anzufahren. Auf dem Rückweg sahen wir noch eine Neuentwicklung mit grell leuchtenden Erdblitzen bei Waco, fuhren durch deren Niederschlagskern, um rückseitig Regenbogen und Mammati bestaunen zu dürfen. Wir fuhren noch weiter bis Vernon, TX, wo wir im Lone Star Inn abstiegen.

2023-06-11 SLGT First Storm Chaser & Black Mesa-Superzelle. Mit der Verlagerung ins Zielgebiet des Tages bei Kim, Colorado machten wir einen Zwischenstopp in Dumas, TX, wo wir die wahrscheinlich höchst ungesunden, aber wohlschmeckenden Pizzen der „Hunt Brothers Pizza“ verköstigten und das Eis unserer Kühlbox auffüllten. Mit Ankunft in Colorado konnten wir die Zelle des Tages bereits in ihrer Entstehung über den Bergen beobachten. Wir näherten uns auf dem Highway 160 dem Gewitter und glaubten unseren Augen nicht, als David Hoadley in der Einfahrt einer Ranch mit seinem Nissan samt Funkantenne plötzlich vor uns stand. Der 84 jährige ist der erste bekannte Storm Chaser und Pionier auf dem Gebiet der Unwetterbeobachtung. Überglücklich ihn in persona zu treffen, sprachen wir über die gerade aufziehende Superzelle sowie die Großwetterlage. Als Markus ihm sein Radarbild auf dem Smartphone zeigte, machte er ganz erstaunt und neugierig ein Foto von dem Bildschirm mit seiner Digitalkamera : „where did you get this?“ Heutzutage ist es gar nicht mehr vorstellbar, ohne die mannigfaltig verfügbaren, technischen Hilfsmittel – also mit reiner Himmelsbeobachtung – Gewitter zu verfolgen. Inzwischen waren viele Storm Chaser im Gebiet angekommen und parkten an unterschiedlichsten Orten, was teilweise zu gefährlichen Situationen am Straßenrand führte. „So many chasers these days“, sagte ich ihm, während er sich in dem Trubel orientierend umsah. Nach dem Austausch unserer Kontaktdaten holte ich noch schnell ein paar Fotopostkarten zum Dank aus dem Auto. Es fühlte sich ein wenig komisch an, als wir weiterfuhren und wussten, dass sich das Storm Chasing inzwischen deutlich verändert hat. Insgeheim hoffte ich, dass ihm niemand die Vorfahrt auf der Straße nehmen würde. Rücksichtnahme ist sicherlich nicht die erste Eigenschaft, die einem einfallen würde, wenn man an ergebnisorientierte Gewitterjäger denkt. Die entstandene Superzelle erhielt nun zunehmend den „high precipitation“-Charakter. Vor Ort trafen wir noch einmal Anton Kötsche und mussten jedoch bald weiter, um die Zelle bei hoher Zuggeschwindigkeit straßenbedingt in einem großen Bogen (den Picture Canyon umfahrend) überholen. Erst in Kenton – im norwestlichsten Teil des Oklahoma Panhandles – gelang es uns die Zelle zu überholen und erneut anzufahren. Langsam und stetig schob sich eine Wallcloud durch das Tal des Cimarron Rivers und über den Black Mesa-Gipfel (höchster Punkt Oklahomas). Unter Dauergrollen kam der hagelträchtige Niederschlag (teilweise über 70 dBZ) dem Ort immer näher, während vorlaufend eine Aufwirbelung am Boden einen kurzen Gustnado erkennen ließ. Wir fuhren der Zelle nach Südosten voraus und tankten zunächst in Boise City, wo zahlreiche Storm Chaser anzutreffen waren. Im Osten der Stadt erhielten wir einen wunderbaren Blick auf die Zelle während der blauen Stunde. Noch besser wurde die Ansicht mit Einbruch der Dunkelheit auf Highway 412. Unter dem Aufwind stehend näherte sich der Niederschlagskern mit einem ungeheuren Dauergrollen aus sekündlichen Wolkenblitzen. Mike Olbinski hielt mit uns am Wegesrand und wir staunten gemeinsam über die Schönheit der Zelle. Inzwischen war die Unterkunft im Simple Rewards Inn Guymon, OK gebucht. Thomas fotografierte nördlich von Texhoma noch Blitze einer aufziehenden Superzelle, die uns nachts noch einige Naheinschläge im Motel bereiten sollte.  

2023-06-12 SLGT Ritt auf der La Junta-Outflow Boundary. Neuer Tag – ähnliches Zielgebiet – etwas unübersichtlichere Lage. Wir fuhren nach La Junta, CO und positionierten uns westlich der Stadt, um die südlichste Zelle in den Blick zu nehmen. Die nördliche Entwicklung erhielt zwischenzeitlich eine Tornadowarnung. Unsere Zelle sah zunächts gut aus und deutete ihren Aufzug mit einer Böenwalze an, während wir nahe des Fowler Airports warteten. Am zweiten Standort nordöstlich von Walsenburg, CO wurde das Gewitter schließlich outflow-dominant. Das einzige Highlight blieb wohl der Anblick eines Prärieskinks an einer Rancheinfahrt. Wir überholten die Outflow Boundary, also den vorauseilenden Abwind, im Südosten und nahmen uns die daraus entstehenden Neuentwicklungen vor. Westlich von Kim, CO begegnen wir der abendlichen Zelle, die über den Spanish Peaks entstanden war und nun mit einer rotierenden Mauerwolke vor uns aufzog. Der tiefe Stratus erlaubte leider keinen Blick auf den Aufwind. Aber die Stimmung inmitten des Comanche National Grasslands unter dem Rufen von Coyoten und Summen der Grillen war großartig. Leider tauchten anschließend immer mehr Storm Chaser und Tourenanbieter auf, die laut quatschend und die Fluchtwege zuparkend die Stimmung etwas drückten. Auf unserer Höhe verlor die Zelle dann die Wall cloud und zog ostwärts. Wir überholten die Zelle unter dem Geräusch prasselnder Hagelschlossen und fuhren zu unserer Unterkunft (erneut) ins Townsman Inn in Boise City, OK.   

2023-06-13 SLGT Black Mesa State Park und die tornadische HP-Superzelle. Um 10:30 Uhr verließen wir das Motel und kehrten bei Guera’s Tacos zum frühen Mittagessen ein. Mein Taco Salad schmeckte ausgezeichnet (hier wurde mit „authentisch mexikanischer Küche“ geworben). Anschließend starteten wir zum Zielgebiet im Nordwesten des Cimarron County unweit unserer Unterkunft. Nach 30 Minuten Fahrt zum Black Mesa State Park, genauer gesagt dem Lake Carl Etling, waren wir bereits im Target für die – wie wir hofften – Superzelle des Tages. Während Andre noch einmal zum Tanken nach Boise City zurückfuhr, wanderten wir den 1,5 Meilen langen den Bird Heaven Trail durch ein felsiges Gelände (Lebensraum der Prärieklapperschlange) und sahen vor Ort neben zahlreichen blühenden Kakteen und mehreren Prärie-Stachelleguanen noch eine Rotpunktkröte (‚Red spotted toad‘), die eigentlich eher nachts anzutreffen ist. Bereits auf der Hälfte der Strecke kündigte sich nach Nordwesten hin ein Gewitter an – es sollte die Entstehung unserer Zelle sein! Mit der Rückkehr von Andre fuhren wir auf einen Aussichtspunkt im Osten des Sees, wo wir einen Blick auf die Wall cloud erhielten. Unter dem dunklen Horizont drehte unterdessen der ‚Bald eagle‘, das Freiheitssymbol der USA, der Weißkopfseeadler seine Runden. Wir verlagerten uns auf einen höheren Standort vor dem Park, wo wir wieder Mike Olbinski mit seiner Tour am Straßenrand sahen. Nun bildete sich lehrbuchhaft der FFD (forward flank downdraft) heraus. Ein toller Anblick. Lange blieben wir an der Stelle nicht mehr trocken und fuhren der Superzelle über Felt, OK bis zur texanischen Grenze voraus. Dort erhielt das Gewitter die erste Tornadowarnung, während wir den Aufzug unter starkem Inflow und Staubaufwirbelung beobachteten. Die Flucht und Fahrt voraus nach Osten war wegen des Großhagels nun zu gefährlich, was uns zur Route nach Süden bewog. Die Abkürzung über eine Mud Road auf halbe Strecke ließen wir aus Sicherheitsgründen (weicher Boden, immer wieder Wasserlachen) aus. Der lange Weg über Dalhart nach Conlen, TX fühlte sich wie eine gemeine Hängepartie an, wurde doch für die Zelle bereits ein Tornado offiziell bestätigt. Wir mussten direkt nach Südosten Richtung Cactus und dann weiter nach Sunray (hier waren wir am 28.5. bereits) fahren, um wieder Platz vor der heraneilenden Zelle zu gewinnen. Östlich des Ortes sahen wir dann, wie sich eine massive Mauerwolke aus dem Dunst herausschälte. Nach 5 Minuten intensiver Sandstrahlung der Kameras durch Inflowböen und einem kurzen Hallo mit Mateusz Taszarek traten wir die erneute Verlagerung nach Südosten an. Bei der Ankunft in Stinnett heulten inzwischen die Tornadosirenen. Der Sheriff beobachtete im Westen der Stadt den Gewitteraufzug, während die Rettungskräfte im Süden außerhalb der Besiedelung für einen möglichen Einsatz positioniert waren. Selten haben wir einen derart schwarzen Himmel vor uns gesehen. Über Borger im Süden fuhren wir der tornado-bewarnten Zelle nach Südosten voraus und mussten Neuentwicklungen mit Hagel um 2-3 Zentimeter durchqueren. Es ist erstaunlich, dass dies die 360°-Kamera auf dem Dach alles problemlos wegstecken konnte. Bei der Durchquerung von Pampa, TX unter erneuten Tornadosirenen wurde der Wasserfilm auf der Frontscheibe plötzlich dichter und wir riefen Andre als Fahrer an, doch bitte den Scheibenwischer zu betätigen – dieser war jedoch an. Geistesgegenwärtig lenkte Andre den Wagen nach rechts auf eine Einfahrt in einer Nebenstraße. Neuer Versuch. Kein Scheibenwischer. Wir bewegten die Blätter händisch, machten den Motor aus und wieder an. Nichts. Hinter uns holten uns das Rotationszentrum der tornado-bewarnten Superzelle sowie der Großhagel rasend schnell ein. „Die Sicherung“, sagte Thomas. Vielleicht war die Sicherung für den Scheibenwischer defekt. Durch den Reifenwechsel an der Interstate wusste ich noch, dass sie hinten links im Kofferraum zu finden waren. Schnell schauten wir nach, ohne direkt zu wissen, welche Sicherung betroffen war. Der Regen nahm zu und das Auto drohte in Kürze zerhagelt zu werden. Wir stiegen alle wieder ein und fuhren den Wagen um das nahe Gebäude herum auf dessen Südseite, als bereits Hagel um 4 cm neben uns in die Pfützen schoss. Währenddessen schauten wir im Benutzerhandbuch nach den zugewiesenen Sicherungen. Draußen: Starkregen und Hagel. Thomas fasste kurzum einen Entschluss und stieg in den Kofferraum, wo er die Sicherungen tauschen wollte. Er las mir die Sicherung mit gleichem Widerstand vor, die für einen Austausch mit dem Frontscheibenwischer in Betracht kamen. Ich glich sie mit dem Handbuch ab und las vor: „152 – ‚Tail lights‘ – nein, die brauchen wir.“ Eine Nummer nach der anderen wurde von Thomas genannt und immer waren es sicherheitsrelevante Geräte – bis auf die Klimaanlage. Diese Sicherung wollten wir nun inmitten des Hagelschlags und der drohenden Tornadogefahr wechseln. „Wo ist die Klemme für die Sicherungen?“, fragte Thomas. Ich raste durch das Handbuch von Verweis zu Verweis, um den Hinweis auf eine Klemme unter einer Abdeckung an der rechten Beifahrerseite zu finden. Ich rief Markus an, nach der Abdeckung zu suchen. Inmitten des Regens musste dieser die Tür öffnen und irgendwie die Abdeckung öffnen. Wir staunten nicht schlecht als dieser gut durchnässt die Tür wieder zuschlug und mit einer Klemme und einer Abdeckung voller Austauschsicherungen aufwarten konnte. Leider fehlte die passende Sicherung für die Frontscheibenwischer. Also musste kurzum die Klimaanlage dran glauben. Mit abgeschaltetem Motor tauschte Thomas die Sicherungen. Nun schauten alle Andre erwartungsvoll an. Er schaltete den Motor an und betätigte den Wischer. NICHTS. Einfach nichts. Andre resignierte: „dann ist es der Scheibenwischermotor…“. Nun sank bei uns allen die Gewissheit ein, dass wir keine Optionen mehr hatten. Das Chasing war vorüber. Der Blick aufs Radar lieferte die Gewissheit, dass uns der gefährliche Teil der Zelle bereits überquert hatte und der Hagel entlang der Reorganisation der Superzelle erst kurz nach Pampa auf bis zu 5,5“ herangewachsen war – das sind stolze und verheerende 14 cm.

Quelle: Weather.us

Nun mussten wir uns ob dieser unglaublichen Gemengelage erst einmal sammeln. Markus drehte sich zu Thomas um und reichte ihm die Hand: „Meine Hochachtung!“ Wir alle waren beeindruckt von der konsequent herausragenden Navigation und des beherzten Eingreifens unseres jüngsten Teammitgliedes. Allen gefiel die daraufhin aufkommende Idee von Markus, in Pampa eine aus früheren Jahren bekannte Unterkunft (das Hampton Inn) zu buchen und auf den Schreck erst einmal etwas Essen zu gehen. Im Fire Creek Bar & Grill fanden wir dann in der Tat den besten Burger der gesamten Reise, während im Hintergrund weiter die Berichterstattung über die Unwetterlage im Fernsehen lief. Vor der Gaststätte stand unterdessen ein zu unserem Mietwagen baugleicher Suburban, der völlig zerhagelt war und gesprungene Scheiben hatte. „Baseball sized hail from yesterday“ sagte mir die Besitzerin, die ich kurz vor dem Essen noch getroffen hatte. Was für ein Schock für eine Kleinstadt mit knapp 17.000 Einwohnern dachte ich mir: erst Großhagel und dann noch Tornadosirenen tags drauf. Team 1 – also wir – waren überglücklich, aus dieser misslichen Lage heil herausgekommen zu sein und obendrein ein sehr spannendes letztes Chasing der Reise erlebt haben zu dürfen.

2023-06-14 TSTM (MDT) Das Wunder von Pampa. Am Morgen genossen wir ein gutes Motelfrühstück und fuhren anschließend durch einige Straßen, die vom Großhagel betroffen waren – z.B. die Hamilton St. Es war frappierend, wie viele Autos abgedeckt worden oder deren zerstörte Scheiben notdürftig mit Folie abgeklebt waren. Andre, der bereits gewitzelt hatte, einem Glauben zuzusagen, sollten heute die Scheibenwischer wieder laufen und wir staunten nicht schlecht, als diese beim heutigen Fahrtantritt in der Tat wieder ihren Dienst verrichteten. Thomas konnte dies nüchtern einem Steuergerät zuschreiben, für das ein Reset notwendig gewesen sei. Der heutige Fahrtag nach Limon, CO diente der Annäherung zum Flughafen in Denver. Auf halbem Wege aßen wir bei BJ’s Burger in Lamar den „Super Cheeseburger“. Mit einem Besuch um Giftshop in Limon, Kofferpacken und -wiegen sowie Postkartenschreiben meinerseits ging der Tag entspannt zu Ende.   

2023-06-15 MRGL (MDT) Pancakes und Bisons. Zum Abschluss der gemeinsamen Zeit (Markus und Andre reisen noch weiter nach Chicago) aßen wir noch einmal gemeinsam bei IHOP. Nach Aufgabe der Post in Limon fuhren wir nach Denver, um dort letzte Walmarteinkäufe zu tätigen und den Wagen durch eine (ausgesprochen schlechte) Waschstraße zu schicken. Unser zweiter Steinschlag war nun zu einem Riss quer durch die ganze Frontscheibe herangewachsen. Wir saugten noch den Innenraum des äußerlich ähnlich dreckig wie vor der $ 23 teuren Premiumwäsche verbliebenen Autos. Mit rund 3 Stunden Restzeit schauten wir uns das ‚Rocky Mountain Arsenal National Wildlife Refuge‘ an. Dazu fuhren wir entlang des Wildlife Drives und sahen mehrere Dutzend Bisons, die wenige Meter vor uns die Straße überquerten sowie Präriehunde, Schmuckreiher und – zu meiner großen Freude – die amerikanischen Säbelschnäbler. Danach hieß es Abschied nehmen. Die Mietwagenrückgabe war dank der Versicherung unproblematisch (einzig der Roadside Assistance Räderwechsel an der Interstate kam mit ca. $ 80 noch hinzu). Gegen 17 Uhr betraten Thomas und ich das Flughafenterminal und verabschiedeten uns nach drei intensiven Wochen voller Abenteuer und Ausgelassenheit von Markus und Andre (ihr Rückflug folgt zwei Tage später). Auf unserem Rückflug sahen wir beim Abflug noch einen Erdblitz, der bei einem nahen Gewitter für eine Explosion oder einen Brand gesorgt haben musste (ein Powerflash) – in jedem Fall leuchtete nach dem Einschlag noch für mehrere Sekunden ein heller Schein am Erdboden auf. Während der Dämmerung konnten wir obendrein Polarlichter samt leuchtender Nachtwolken beobachten – was für ein Abschluss.

Resümee. 23 Tage, 5 Bundestaaten, 18 Gewittertage, 13 Storm Chasings, 4 Tornados, 60+ Arten der Flora und Fauna, 4 Museumsbesuche (Dorothy’s House, Midland Air Museum, Space Center Houston, Carlsbad Caverns), 6 Naturschutzgebiete (Arkalon Park Liberal, Comanche & Cimarron National Grasslands, Brazoria National Wildlife Refuge, Carlsbad Caverns, Rocky Mountain Arsenal National Wildlife Refuge) in über 7000 Meilen.

Während wir am 15.06. vor unserem Abflug unter dem Donnergrollen der Rocky Mountains-Gewitter Wildlife angeschaut hatten, war in Texas ein verheerender EF3-Multivortex-Tornado durch den Ort Perryton gezogen und hatte für Tod und Verwüstung gesorgt. Dies konnten unsere befreundeten Storm Chaser Jane & Clyve Herbert von Australian Sky and Weather dokumentieren. Solch wertvolle Berichte und Echtzeitmeldungen sind ein wesentlicher Grund, warum es Storm Chaser bzw. die Unwetterbeobachtung gibt. Sie können (indirekt) Leben retten oder Schlimmeres verhindern. An dieser Stelle treten die ästhetischen Aspekte des Wetters in den Hintergrund und Storm Chasing ist ein ehrenamtlicher Dienst für die Gemeinschaft – in Amerika aus der Not heraus erfunden und inzwischen auch in Europa immer etablierter (wenn auch noch in den Kinderschuhen). Der Thüringer Storm Chaser e.V. kann hierzu einen Beitrag leisten.

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